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Citybus
Klickyweltfrischling
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Radiobeitrag

Beitrag von Citybus » Donnerstag 17. März 2011, 08:31

Hallo,

für einen Radiobeitrag habe ich mich mit den Veränderungen bei Playmobil beschäftigt:

Playmobil – Die Evolution eines Spielzeugs

In den 70er Jahren gab es viel Neues für Kinder. Im Fernsehen startete die „Sendung mit der Maus“ und die „Sesamstraße“, in Schulen und Kindergärten versucht man Alternativen zur autoritären Erziehung zu finden und auch im Kinderzimmer halten neue Spielsachen Einzug, die den traditionellen Spielwaren den Rang ablaufen. Ein besonderes Datum ist dabei das Jahr 1974. In diesem Jahr kommen kleinen Plastikfiguren auf den Markt, in deren Hände Werkzeuge oder auch Waffen eingeklickt werden können. Obwohl aus Kunststoff wurden die Klickys, wie sie in den ersten Jahren genannt werden, aus der Not der Ölkrise geboren. Die Firma Geobra aus Zirndorf bei Nürnberg hatte in den 50er Jahren ihre Produktion auf Kunststoffartikel umgestellt. Sie produzierte Kinderspielzeug, vom Hula-Hoop-Reifen, über Draufsetz-Traktoren und Kaufladenkassen bis zum Kindertelefon, aber auch Produkte für den Erwachsenenenmarkt. So werden Fieberglasboote, Telefone, Möbel und Deckenverkleidungen aus Kunststoff angeboten. Mit der Ölkrise steigt der Kunstoffpreis aber rapide, da Öl ja ein wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung von Kunststoffgranulat ist. Nur ein Produkt, das bei geringen Materialverbrauch, genügend Gewinn abwirft, kann die Firma retten. In der Not besinnt sich Firmenchef Horst Brandstätter auf eine Entwicklung seines Musterbauers Hans Beck. Hans Beck hatte im Zuge des Auftrags eine Spielzeug-Fahrzeugserie zu entwickeln eine Spielfigur erdacht, die 1972 zum Patent angemeldet wurde. Beck hatte gemerkt, das eine Figur nicht nur Accessoire für ein Spielzeugauto ist sondern ein wesentliches Spielelement. Schließlich überträgt das Kind sein Handeln auf das der Spielfigur. Sein Chef war von dieser Theorie nicht gerade überzeugt. Schließlich wurden Spielzeugautos bis dahin meist ohne oder nur mit starren Figuren verkauft. So entwickelte Beck seine Figur nur nebenbei weiter und testete sie bei seinen Neffen und Nichten. Als Beck kurz vor Weihnachten des Jahres 1973 von seinem Chef gefragt wird, ob er die kleinen Männchen für die Spielwarenmesse 1974 präsentabel machen kann, sind so wichtige Vorarbeiten geleistet. Doch die Einkäufer der Spielwarengeschäfte und Kaufhäuser stehen dem neuen Spielzeug skeptisch gegenüber. Felicitas Bachmann nennt in ihrem Buch „30 Jahre Playmobil“ beispielsweise diese Aussage eines Einkäufers: In Hongkong bekäme man für 1 Mark 100 Figuren und Brandstätter wolle allein für eine Figur schon 2 Mark. Erst am vorletzten Messetag geht die erste Order eines holländischen Großhändlers ein. Die erste Order weckt Brandstätters Kampfgeist. Beim abendlichen Messeball kann er den Geschäftsführer von VEDES, einem Einkaufsverband für zahlreiche angeschlossene Spielwarengeschäfte überzeugen. Als Vedes bestellt, wollen auch die Kaufhauskonzerne nicht zurückstehen – auch Kaufhof und Karstadt ordern das neue Spielzeug. Ab Herbst 1974 erobert Playmobil zunächst mit den Spielwelten Ritter, Indianer und Bauarbeitern die Kinderzimmer.

Als die ersten Playmobil-Sets in den Spielwarenläden erschienen, war ich 7 Jahre alt – also mitten im Zielgruppenalter, das der Hersteller mit 4 bis 10 Jahren angab. Da vorher schon viele Baumaschinen unter meinen Spielzeugautos hatte und in Frankfurt ständig Baustellen sah, interessierten mich nur die neuen Bauarbeiterfiguren. So kamen die ersten Playmobil-Figuren ins Haus. Bunte Figuren, die durch einen Helm zum Arbeiter im Hochbau oder durch eine Warnweste und eine Kappe zu Straßenbauarbeitern wurden. Neben Werkzeugen, einer Schubkarre und Walze lagen den ersten Baustellensets auch ein paar Bierkästen bei, deren grüne Fläschchen zur Frühstückspause von den Figuren geleert werden konnten. Alles passte zueinander und so konnten die Männchen auch den Bierkasten mit beiden Armen greifen. In einem frühen Katalog sieht man, wie zwei Männchen Bierkästen mit Hilfe einer quergelegten Leiter transportieren oder findet folgende Sprechblasen:

Gelber Bauarbeiter: „Das ist heute schon meine fünfte Flasche.“
Grüner Bauarbeiter: „Macht nichts, es ist noch genug Bier da.“

Ab 1976 erhielten die Bierkisten sogar Aufkleber einer bekannten Münchner Brauerei. Da sich dann auch bei der Feuerwehr die Bierkisten stapelten, häuften sich die Proteste der Pädagogen und Suchtpreventoren, so dass die Bauarbeiter seitdem ohne Bier auskommen müssen. Auf die Lösung durch eine andere Farbgebung aus den Bierkästen Wasserkisten zu machen, kam man offenbar nicht. Trotz der vielen Bierkisten bin ich jedenfalls nicht zum Alkoholiker geworden. Ich war begeistert von Playmobil – man konnte damit sowohl drinnen als auch draußen spielen und die Figuren konnten immer neue Rollen übernehmen. Und so machte es garnichts aus, dass ich Bauarbeiter und mein Freund Indianer hatte. Wir spielten – gemäß den damaligen Werbeslogan „Spiel', was du täglich erlebst“ das nach was uns bewegte. Als gerade Bundestagswahlen anstanden und draußen die Straßen mit Wahlplakaten zugepflastert wurden, lieferten wir uns im Wohnzimmer einen Miniaturwahlkampf. Mit dem Baulastwagen wurden selbstgemalte Wahlplakate in der ganzen Wohnung verteilt, anschließend wurde er zur Rednerbühne für die Plastikpolitiker. Um Spielideen zu realisieren wurde Playmobil mit anderen Spielsachen kombiniert. So entstanden aus Lego neue Aufbauten für Lastwagen oder gänzlich neue Fahrzeuge oder Boote für die Figuren. Aus Bauklötzen entstanden Häuser oder eine Zirkustribüne. Ja einmal ging sogar ein ganzer Zirkus mit Lkws und Bauwagen auf Tournee und gastierte bei jeweils bei meinen Omas, die praktischerweise in einer Straße wohnten. Ein Besuch bei ihnen stand auch immer an, wenn ich etwas neues von Playmobil im Schaufenster sah und mir wünschte. Dann fuhr ich übers Wochenende in meine etwa 100 Kilometer von Frankfurt entfernte Geburtsstadt und ging entweder mit der einen oder der anderen Oma zum einkaufen.
Während die Umsätze bei Geobra von Jahr zu Jahr steigen, versucht auch die Konkurrenz aus dem nahen Fürth in das Geschäft mit den Playfiguren einzusteigen. Bereits ein Jahr nach dem Start von Playmobil versucht die Firma BIG – bekannt durch ihr Bobbycar – mit ihrem System „Play BiG“ sich ein Teil vom Kuchen abzuschneiden. Die Play BIG-Figuren sind etwas größer als die 7,5 cm hohen Klickys und können ihre Beine unabhängig voneinander bewegen – was aber den Spielwert nicht erhöht. Während das Zubehör und die Fahrzeuge bei Playmobil stilisiert sind, versucht man bei Play BIG mit vorbildgetreuen Zubehör zu punkten. So tragen die Unimogs der Play-BIGs vorne den Mercedes-Stern und die Sportler werden von einem bekannten Sportartikelhersteller ausgestattet. In Fürth versucht man zudem zahlreiche neue Spielwelten zu bedienen. So werden Bundeswehrsoldaten, Sportler oder Wikinger angeboten – Dinge die es zu dieser Zeit bei Playmobil nicht gibt – und im Falle der Soldaten wohl auch nicht geben wird. Doch bei den meisten Kindern kommt Play BIG nicht an. Die Fahrzeuge sind aufgrund ihrer vielen Kleinteile und der dünneren Materialstärke den Spielbetrieb nicht gewachsen und die Figuren erwecken mit ihrem klobigen roboterhaften Aussehen keine Sympathie. Und so macht letztendlich nicht der von Geobra angezettelte Rechtsstreit, den BIG gewinnt, sondern der Misserfolg am Markt den Play BIG Figuren ein Ende.

37 Jahre sind vergangen seitdem die ersten Playmobil-Figuren erschienen. Für Kinder in vielen Ländern gehören die bunten Figuren zum Kinderzimmer-Alltag. Playmobil ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte sondern auch ein Beispiel dafür, wie sich Spielzeug im Laufe der Zeit verändert. Vergleicht man die Figuren aus der Anfangszeit mit denen von heute fallen zahlreiche Unterschiede auf. War eine Figur früher universell einsetzbar und konnte durch das Wechseln des Helms vom Bauarbeiter zum Ritter werden, sind die Figuren heute Individualisten, deren Rolle durch festsitzende Kleidungsstücke festgelegt ist. Selbst der einheitliche Gesichtsausdruck, der zu einem Markenzeichen der Figuren geworden ist, wird heute durch aufgedruckte Augenbrauen, Bärte oder Wimpern durchbrochen.
Der Wandel der Figuren ist nicht nur dem Fortschritt in der Kunststoff-Gußtechnik zuzuschreiben, sondern spiegelt ein Stück weit auch den gesellschaftlichen Wandel seit den 70er Jahren wider. Versuchte man in den 70er Jahren Ungleichheiten in der Gesellschaft auszugleichen und Chancengleichheit zu schaffen, öffnet sich heute die Schere zwischen Arm und reich immer weiter. Fuhr die Playmo-Familie bis in die 80er Jahre noch in einem Auto der Golf-Klasse herum, kamen in den 90er Jahren schwere Geländewagen und schnittige Sportwagen ins Sortiment. Wie in der Realität fährt die Tierärztin heute im Pseudo-Geländewagen mit vorderen Rammschutz zu ihren Klienten. Was die Figuren darstellen bleibt heute nicht mehr der kindlichen Phantasie überlassen. Selbst ein Pferd ist nicht mehr nur ein Pferd. Um die Mädchen anzusprechen, erschienen kürzlich 6 Pferdesets, mit jeweils einem Rassepferd inklusive Pferdebox. Als Gegenstück für die Jungen gibt es 6 verschiedene Motorräder. So soll der Sammlertrieb bei den Kindern geweckt und bei den zahlreichen erwachsenen Sammlern befriedigt werden.

Um Jahr für Jahr mehr Playmobil verkaufen zu können, obwohl kaum Playmobil weggeschmissen wird, müssen jedes Jahr neue Spielwelten auf den Markt gebracht werden. Während Ritter im Sortiment Dauerbrenner sind, kamen Cowboys und Indianer aus der Mode – gerade wird aber wieder ausgelotet ob sich eine Wiederbelebung des Themas lohnt. Bis auf den Bauernhof, Polizei und Rettung finden sich derzeit kaum Themen mit denen die heutige Erwachsenenwelt nachgespielt werden könnte im Programm. Selbst die Bauarbeiter führen, bis auf ein paar Mann die mit schweren Gerät im Steinbruch arbeiten, ein Nischendasein. Stattdessen werden Themen bedient, die man früher mit anderen Spielzeug wie Actionfiguren spielte. Während Lego sich die Lizenzrechte zu beliebten Kinohits wie „Indiana Jones“, „Spidermann“ oder „Krieg der Sterne“ sichert, versucht mittlerweile auch Playmobil von diesen Filmen zu profitieren allerdings ohne direkt auf die Filme Bezug zu nehmen. Aktuelle Spielwelten sind beispielsweise die Schatzsuche im Dschungel, Fantasiewelten mit Drachen oder Geisterpiraten. Dabei halten auch immer mehr technische Features Einzug. Im Kampf der schwarzen Gangster gegen die weissen Topagenten kommt beispielweise ein mit Kamera und Monitor ausgestatteter „Robo-Gangster-SUV“ zum Einsatz und auf dem Future-Planet im Weltraum wird mit der „K.O. Leuchtkanone“ geschossen. Mit diesen Sets will man auch über 10 jährige Jungen für Playmobil begeistern, bevor sie Playmobil als Kinderkram abtun. Den Gegenpool zur harten Jungenwelt bildet das Puppenhaus oder das rosa Prinzessinnen-Schloss, das sich speziell an Mädchen richtet.
Playmobil, das heute mit einem Marktanteil von 8 Prozent Platz 2 hinter Marktführer Lego und vor Mattel am Geschäft mit Spielwaren in Deutschland hält, war in den 70er Jahren eine bahnbrechende Neuheit. Im Lauf der 37 Jahre hat es sich zu einer Marke entwickelt, die schon früher vorhandene Spielthemen in ihr System integriert. Vieles althergebrachtes kommt mit Playmobil im neuen Gewand und beim genaueren Betrachten sind die Veränderungen im Spiel zur Zeit vor Playmobil gar nicht so groß – insbesondere bezüglich der Geschlechterbezogenheit des Spielzeugs. Zwar gibt es auch bei den „Jungenthemen“ hier und da mal eine weibliche Figur, doch im Gegensatz zu früher sind die Themen die sowohl Jungen als auch Mädchen interessieren zurückgegangen. Durch die enorme Zahl von verschiedenen Spielwelten und das zahlreiche spezialisierte Zubehör hat sich der Spielwert nicht unbedingt erhöht. Zwar erlaubt das Spiel auch dass Steinzeitmenschen und alte Ägypter mit der modernen Feuerwehr-Drehleiter gerettet werden. Die vielen Neuigkeiten wecken aber auch ständig neue Begehrlichkeiten bei den Kindern und sind so für die Firma Wachstumstreiber. Und so wird die Playmobil-Population auch künftig weiter ansteigen.
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Es versteht sich von selbst, dass dieser Beitrag urheberrechtlich geschützt ist.

Viele Grüße,
Citybus
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Re: Radiobeitrag

Beitrag von Drake247 » Donnerstag 17. März 2011, 18:22

toller beitrag! vielen dank!
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FC St.Pauli!
Fc Barcelona!!!!


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Re: Radiobeitrag

Beitrag von Monsieur Dupont » Freitag 18. März 2011, 08:51

Es versteht sich von selbst, dass dieser Beitrag urheberrechtlich geschützt ist.
mmmh...ich glaube, ich glauuube....., dass dir dieses Urheberrecht soo schnell niemand streitig machen wird... :wink

Nachfolgend meine persönlichen Highlights:

die Suchtpreventoren (könnte ich nochmal wählen, würde ich dies in die Zeile "Berufswunsch" eintragen)
der Sammlertrieb (ich dachte mir schon immer, dass die zuviel Hormone produzieren)
der Gegenpool (sollte jeder im Garten haben, allein schon wegen der riesigen Kletterburg der Nachbarn)

Für welchen Radiosender sollte dieser Beitrag nochmal sein?

An das Klickyweltteam: Entschuldigung, aber er hat in rot (!) geschrieben, dass ihm ja keiner diesen Text klaut...ich meine...da darf man doch auch 'mal 'was zu sagen...bevor er seinen Job beim Radio verliert :wink !
Monsieur Dupont, Monsieur Dupont,
es ist so schön die Welt zu seh´n in ihrem Eisenbahn-Waggon
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pbfox
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Re: Radiobeitrag

Beitrag von pbfox » Freitag 18. März 2011, 09:34

Hallo Citybus,

vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag :great !

Gruß

pbfox
Citybus
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Re: Radiobeitrag

Beitrag von Citybus » Freitag 18. März 2011, 18:35

bakerman hat geschrieben: An das Klickyweltteam: Entschuldigung, aber er hat in rot (!) geschrieben, dass ihm ja keiner diesen Text klaut...ich meine...da darf man doch auch 'mal 'was zu sagen...bevor er seinen Job beim Radio verliert :wink !
Er braucht sich keine Sorgen zu machen, dass ich den Job beim Radio verliere. Ich habe den Beitrag für einen nichtkommerziellen Sender gemacht und da arbeiten fast alle ehrenamtlich aus Spaß an der Sache. Wenn der Beitrag für ein Printprodukt gewesen wäre, hätte ich ihn bezüglich der Rechtschreibung nochmal durchgelesen. Aber dann hätte er ja keinen Spaß an meinen Wortschöpfungen gehabt. Das mit dem Urheberrecht habe ich nur dazugeschrieben, da man sich immer wieder wundert wie sich Texte verbreiten. Ich werde es aber nächstes Mal in grün schreiben.

Grüße,
Citybus
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pbfox
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Re: Radiobeitrag

Beitrag von pbfox » Dienstag 22. März 2011, 07:38

Hallo bakerman,

muss man sich über alles lustig machen? :nana

Sprichwort: "WER IM GLASHAUS SITZT, SOLLTE NICHT MIT STEINEN WERFEN!"

Gruß

pbfox
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