Der Weg ist nicht weit. Es dauert nicht lange, bis die Wanderer auf einer Ebene Burg
Utgard aufragen sehen. Und es ist eine gewaltige Burg, viel größer als erwartet. Das
vergitterte Tor ist verschlossen. Niemand ist im Burghof zu sehen.
Schließlich zwängen sie sich durch die Gitterstäbe hindurch. Dann stehen sie im Burghof
und schauen sich um. Noch immer zeigt sich keiner der Bewohner. Thor deutet auf eine
Halle, deren Tor weit geöffnet ist. Dorthin gehen sie, treten nach kurzem Zögern ein.
Auf zwei langen Bänken sitzen eine Menge Jöten, einer größer als der andere. Ganz am
anderen Ende der Halle sitzt, leicht erhöht, ihr Herr. Das also muss Utgardloki sein. Thor
grüßt den Herrn der Burg, ehe er seine Reisegefährten vorstellt.
»Und was sind eure besonderen Fertigkeiten?«, antwortet Utgardloki belustigt. »Hier ist
keiner, der nicht eine besondere Kunst versteht. Und hier hat keiner Gastrecht, der sich
nicht durch irgendein Geschick vor allen anderen auszuzeichnen vermag.«
Loki hat Hunger und vermutlich keine Lust auf langes Geplänkel. Darum sagt er:
»Wenn es um Künste geht, dann bin ich bereit, die meine zu zeigen. Hier ist wohl keiner,
der schneller als ich zu Essen vermag.«
Die Jöten lachen und es klingt wie Donner in der Halle, bis Utgardloki sie mit einer
Handbewegung verstummen heißt.
»Nun, das ist eine seltsame Kunst«, erklärt der Jöte amüsiert. »Aber eine Kunst
ist es allemal. Logi, tritt hervor.«
Der so Angerufene erhebt sich. Einige Jöten bringen einen langen Trog herbei, füllen
ihn mit gebratenem und gesottenem Fleisch bis obenhin. Logi geht an das eine Ende,
Loki an das andere. Und dann greifen sie zu.
Sie essen, so schnell und soviel sie vermögen. Die Jöten ringsum feuern Logi an. Endlich
hat Loki das Fleisch in seiner Hälfte des Troges von den Knochen abgegessen. Er ist satt.
Er sieht auf und geradewegs in Logis grinsendes Gesicht, das nahe vor ihm ist. Der hat
nicht nur das Fleisch verzehrt, sondern ebenso alle Knochen und den Trog gleich mit dazu.
»Dieses Spiel hast du verloren, Loptr«, urteilt Utgardloki voll Heiterkeit. »Und was ist
deine Kunst, der du dich Thialfi nennst?«
»Ich bin schnell«, antwortet Thialfi selbstbewusst. »Wenn also einer hier mit mir um
die Wette laufen will, so bin ich bereit dazu.«
»Das ist eine gute Kunst, wenn du sie denn wirklich beherrschst. Wir wollen sehen, ob
du so hurtig bist, wie du wähnst«, stimmt der Jötenherrscher zu.
Er erhebt sich und geht hinaus. Alle anderen folgen ihm. Auf dem Feld vor der Burg ist
eine Rennbahn zu sehen. Utgardloki ruft einen jungen Burschen herbei, der Hugi genannt
wird, und bestimmt ihn zu Thialfis Gegner. Sie sollen drei Mal gegeneinander laufen.
Thialfi rennt. Aber Hugi ist schneller. Er erreicht das Ende der Bahn, kehrt um und läuft
Thialfi entgegen, wobei er ihm frech ins Gesicht lacht.
»Wenn du gewinnen willst, Thialfi, musst du dich mehr anstrengen«, rät Utgardloki nach dem
Lauf. Ich gebe aber zu, dass bisher noch niemand hierher kam, der leichtfüßiger lief als du.«
Der zweite Lauf endet ähnlich, obwohl Thialfi, angestachelt durch die Anerkennung, wirklich das Letzte gibt.
»Ein guter Lauf«, lobt der Jöte wieder, »aber ich glaube nicht mehr, dass du gewinnen kannst.
Die dritte Runde wird es zeigen.«
Thialfis Atem geht schon schwer. Er hat keine Chance. Aber er gibt nicht auf. Sie laufen also ein
drittes Mal. Als Hugi das Ende der Bahn erreicht hat, liegt die halbe Strecke noch vor Thialfi.
»Es ist genug.« Urgardloki bricht das Rennen ab. »Tapfer gelaufen, doch sicher nicht schnell genug.
Gehen wir wieder hinein in die Halle.«