Wir beraten das weitere Vorgehen.
Der Amazonas ist unheimlich breit und auch sehr tief.
Bis Manaus können Containerschiffe problemlos auf dem Strom vordringen.
Eddy ist nur wegen der Titan skeptisch. Wir müssen dort ja die Schiffe zurücklassen.
Die Cargo kann ein Roboter verteidigen; notfalls setzt er sie komplett unter Strom.
Die Titan besitzt keine solche Einrichtungen. Und sie ist nur geliehen. Wenn wir sie
verlieren, wird das verdammt teuer.
Aber sie allein hier in der Bucht liegen lassen, ist ebenso gefährlich, auch wenn wir uns
vom Delta an sich ein ganzes Stück entfernten.
Es ist Catty, die uns aus dem Grübeln reißt.
»Hey, Leute, schaut mal da!«, ruft sie und deutet zu den Felsen im Wasser.
Wir drängen sofort zur Reling.
Tatsächlich, auf dem Riff zeigt sich eine unerwartete Gestalt. Und das Beste von
allem ist, dass ich nicht die Einzige bin, die sie sieht. Sie alle sehen den Meermann.
Dieses Mal werden sie mich also nicht für verrückt erklären.
Ich wechsle schnell über die Planke auf die Titan, um dem Meermann näher zu kommen.
»Welche Freude, dich zu sehen!«, rufe ich ihm zu.
»Du kennst ihn?«, fragt Eddy neben mir.
»Aber ja«, erkläre ich rasch, »das ist der Vater von Elona. Ich kenne ihn aus dem
Abgrund. Elona ist die Meermaid, die ihr als Delphin gesehen habt und die Chris
mit dem Hubschrauber rettete.«
Elona kommt neben ihren Vater und begrüßt mich.
Auch andere Meereswesen tauchen jetzt auf und zeigen sich ohne Scheu.
Da kommt mir eine Idee.
»Sagt«, frage ich die Menschen des Meeres, »wenn wir hier ein Schiff
zurücklassen, wird es sicher sein?«
»Ich werde mit der Krake zusammen aufpassen«, verspricht Elona, »und
alle meine Freunde tun es auch.«
»Wir haben ein Geschenk für euch«, verspricht Elonas Vater. »Ihr seid am
Äquator und müsst getauft werden.«
Ich drehe mich um und sehe, wie Meermaids eine große und anscheinend
auch schwere Kiste an die Wasseroberfläche bringen.
»Die Äquatortaufe ist ein alter Brauch«, erklärt uns Phil. »Man sagt, Poseidon
hasse die schmutzigen Nordleute und darum muss jeder, der den Äquator
überquert, eine kleine Reinigungstortur über sich ergehen lassen, um zu
den Südleuten gehören zu dürfen.«
»Ihr Menschen habt immer sehr seltsame Auslegungen der Wahrheit«, schmunzelt
Elonas Mutter, deren schwarze Haut in der Sonne glänzt.
Eddy bewegt den Kahn, lässt den Haken nach unten, wo die Meermaids die Kiste
an ihm befestigen. Langsam hebt er das Geschenk nach oben.
»Ich danke euch allen«, rufe ich. »Ihr seid wahre Freunde.«
Eddy und Phil hieven die Kiste auf den Tisch der Cargo und entfernen den Haken.
Die anderen stehen alle noch wie erstarrt.
Meereswesen zu sehen, das haut sie irgendwie um.
»Deine Reise ist nicht ungefährlich«, sagt Elonas Vater zu mir. »Wir können euch
im süßen Wasser nicht beistehen. Doch dort werden andere sein, die auf eurer
Seite sind. Habt Vertrauen.«
Ich bedanke mich, auch im Namen der Freunde, noch einmal.
Wenig später sind die Meerleute wieder abgetaucht und nicht mehr zu sehen.
Und die Erstarrung der anderen löst sich jetzt auch wieder.